Tourtagebuch schreiben ist nicht nur cool, sondern auch nötig. Vor allem wenn man wie ich ein Gedächtnis wie ein Sieb hat. Sollte ich eines Tages Kinder haben, ich könnte ihnen allenfalls per Tourdaten im Netz und Youtube-Videos erzählen, wo wir überall waren, viel mehr würde ich ohne eine Art Tagebuch nicht gespeichert haben.
Regel Nummer eins demnach: schreib's auf, bevor du's vergisst. Doch da eine Tour wie die Jüngste mit vielen Kilometern im eigenen Kleinbus und noch mehr Gesprächen, mit kostenlosen Getränken und wenig Zeit für einen allein trotz bester Vorsätze keine Zeit für Tagebucheinträge lässt, schreib ich hiermit – zwei Wochen nach der Tour – über ein paar Schlaglichter der Konzertreise, die noch nicht durch's Sieb gerutscht sind.
Freiburg / White Rabbit
24.09.2012
Warum machst du eigentlich Musik? Die Frage bekommt man nicht nur gern in Interviews gestellt, ich frag mich das selbst seitdem ich ein Mikro bedienen kann immer wieder aus Neue. Eine ausgiebige Tour gibt einem da zum Glück einige Antworten und eine besonders Schöne hab ich in Freiburg gefunden.
Der Veranstalter an diesem Abend heißt Simon. Er scheint einen symapthischen Musikgeschmack sein Eigen zu nennen, anders ist es nicht zu erklären, dass er The Hirsch Effekt kraft seines Enthusiasmusses für diesen Abend ins White Rabbit geholt hat. Wir sind hier der Support, was uns hoch erfreut, da wir mit den Hirschen nur zu gern spielen und mittlerweile gute Kumpels sind. Simon hat zu Hause, wo wir von seinen Freundinnen bekocht werden, seine Lieblingsplatten ausgestellt, auch der Hirsch Effekt hat einen Ehrenplatz bekommen. Auf der Toilette sind liebevoll ein dutzend Zitate von Bands auf die Fliesen geklebt. Und während ich das WC seiner Bestimmung zuführe, fällt mir ein Satz ins Auge: "Der Versuch nichts zu erwarten, ist der Versuch meines Lebens." Ein Satz, nicht nur verdammt schön, sondern auch aus der Feder eines meiner besten Freunde, seines Zeichens Bassist und Texter der Band "d.h.". In der Gewissheit eine Verbindung zwischen Freiburg und Leipzig entdeckt zu haben, spreche ich Simon darauf an. Mit leuchtenden Augen schwärmt er von "d-punkt-h-punkt", von damals, als er 15 war und die Band durch Zufall entdeckt und seitdem nicht mehr aus seinem Herzen gelassen hat. Sie sind – so versichert er mir – der Grund, warum er überhaupt angefangen hat Konzerte zu veranstalten. Damals war es sein innigster Wunsch "d.h." nach Freiburg zu holen und heute, heute spielen wir hier und "die Dimension dieser Fusion" (um bei d.h.-Zitaten zu bleiben) manifestiert sich. Wir wären an diesem Abend nicht hier, hätte mein Kumpel nicht so berührende Texte geschrieben.
Das anschließende Konzert im "Weißen Hasen" ist ein Feines. Wir scherzen (was nicht häufig vorkommt), weil die Leute auf dem Weg zur Toilette an uns vorbei, über die nicht-vorhandene weil ebenerdige Bühne müssen und das offensichtlich ziemlich häufig. Dann feiern wir zusammen mit der Merch-Dame und dem Ton-Buben der Hirsche das intensive Set des Hirsch Effekts ab und vor der Sperrstunde gibt Johnny noch einen Jam zum Besten mit Nils und Ilja. Ein gelungener Abend, über den ein anwesender Online-Journalist später überschwängliche Worte finden wird (siehe hier) und über den ich eine weitere Antwort auf die Ausgangsfrage gefunden habe. Musik macht man unter anderem oder vor allem deswegen, weil es rundherum so schöne Geschichten gibt, die einem zeigen worum es eigentlich geht: um Texte und Emotionen, die begleiten, bedeuten und Kreise schließen.
// Marv